Kultur: Die Fortsetzung der Evolution mit anderen Mitteln

Verbeek, Bernhard
Natur und Kultur, Jg. 1/1 (2000), Seiten 3-16

Genprogramme generieren menschliche Gehirne; diese induzieren Psychen, die miteinander lebhaft interagieren und ein neuartiges evolutionäres Phänomen erzeugen: Kultur. Deren Existenz ist zwar weiter auf die Existenz der konservativen Genprogramme angewiesen, aber Änderungen in der Kultur sind weder strikt an neue Generationen, noch an Änderungen in den Genen gebunden. Eine Folge ist der atemberaubende Umbau unseres Planeten. Der noch blühende Baum einer globalen Einheitskultur wird sich selbst von seinen Wurzeln absägen, wenn die beschleunigte Kultur weiter blind wie die organismische Evolution fortschreitet.

Der Frevel Erysichthons als Ursprung der ökologischen Krise

Binswanger, Hans Christoph
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 108-118

Erysichthon ist ein Königssohn, der sich am Heiligen Hain der Demeter, der Göttin der Erde und des Korns, vergreift. Er dringt mit der Axt in den Heiligen Hain ein, um Holz für einen Festsaal zu schlagen, in dem er seine Gastmähler abhalten will. Für dieses Vergehen wird er von der Göttin bestraft. „Gut, baue dein Haus, … in dem du deine Feste feiern wirst – unablässig wirst du deine Feste feiern.“ Und mit diesen Worten schuf sie dem Erysichthon Arges: sogleich legte sie Hunger in ihn, heftigen und wilden, glühenden; von schrecklicher Krankheit wurde er gequält: der Arme, was er verschlungen hatte, nach dem ergriff ihn sogleich wieder die Begierde. Der Ursprung der ökologischen Krise liegt in der Unfähigkeit, notwendige Grenzen der wirtschaftlichen Nutzung der Welt zu setzen und zu beachten.

Sprunghafte Veränderungen – Die Achillesfersen des Systems Erde

Steffen, Will et al.
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 73-92

Nichtlineare, sprunghafte Veränderungen wesentlicher Funktionsmerkmale des Systems Erde sind möglich und haben tatsächlich bereits stattgefunden. Zu den bekannten Beispielen zählen die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik sowie die Bildung des Ozonlochs über der Antarktis. Letzteres zeigt, dass der Mensch durch sein Handeln solche oder noch außerhalb unserer Vorstellung liegende Instabilitäten im System Erde auslösen kann. Sprunghafte Veränderungen können durchaus der bedeutsamste Aspekt des globalen Wandels sein. Es wird unerreichbar sein, alle potentiellen sprunghaften Veränderungen in allen Komponenten des Systems Erde vorauszuahnen. Weitere Überraschungen sind also nicht nur möglich; wir sollten sie erwarten.

Die neuen Konsumenten in Entwicklungs- und Transformationsländern und der Einfluss ihres Wohlstands auf die Umwelt

Myers, Norman; Kent, Jennifer
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 3-22

China und Indien gehören heute zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und viele ihrer Einwohner lassen nun die Armut hinter sich, wenngleich die wirtschaftlichen Ungleichheiten riesig bleiben. Es gibt derzeit in 17 Entwicklungs- und drei Transformationsländern mehr als eine Milliarde solcher neuer Konsumenten, deren Wohlstand groß genug ist, um ihnen die Freuden eines Mittelschicht-Lebensstiles zu gewähren, was den Besitz von Autos, regelmäßigen Fleischverzehr und die Verwendung zahlreicher Haushalts- und Elektronikgeräte einschließt. Staaten wie die USA, die schon lange entwickelt sind, haben eine Marschrichtung vorgezeichnet, die fern der Nachhaltigkeit ist. Alle Länder müssen den Weg zu nachhaltigem Konsum einschlagen – nicht zuletzt die Industriestaaten, die bisher einen Trend zu nicht-nachhaltiger Entwicklung vorgelebt haben.

Krieg gegen die Natur? Feind-Opfer-Metaphern und ihr Erkenntniswert für die Nachhaltigkeitswissenschaft

Henrich, Károly
Natur und Kultur, Jg. 4/1 (2003), Seiten 34-54

Das wandlungsreiche Zusammenspiel von fördernd-schöpferischen und feindlichzerstörerischen Kräften bildet ein wesentliches Merkmal der Entwicklungsgeschichte des Lebens, dem für die Nachhaltigkeitswissenschaft große Bedeutung zukommt. Angesichts dieser Tatsache können Feind-Opfer-Metaphern hilfreich für das Verständnis der zerstörerischen Beziehungen der Menschen zur Natur sein. Den vier hier näher betrachteten bildhaften Vorstellungen – Kriegs-, Raubtier-, Schmarotzerund Krebsmetapher – ist allerdings ein wichtiger Mangel gemeinsam: Sie erfassen nur unzureichend die langfristige Eskalation der Zerstörungsmöglichkeiten und der Gewaltausübung, die eine handlungsbezogene Erklärung der ständig zunehmenden Nachhaltigkeitsverletzungen berücksichtigen muss.