Wie viele Arten brauchen wir?

Gerdes, Jürgen
Natur und Kultur, Jg. 1/1 (2000), Seiten 89-108

Ein Gespenst geht um in der Ökologie. Es treibt sein Unwesen in den kubischen Glasmetallbauten ökologischer Institute, taucht unvermutet in Forschungsprogrammen der Europäischen Union auf oder geistert durch Denkmodelle arrivierter Professoren, die der Freilandökologie längst entwachsen sind und Natur lieber in der virtuellen Welt ihrer Laboratorien und Computer simulieren. Noch hüllt es sich, wohl wissend, dass es das Publikum nicht zu sehr erschrecken darf, in arglos klingende Formeln: „Modellierung von Stoffumsätzen auf Ökosystemebene”, „Abschätzung der Stabilität und Belastbarkeit von Ökosystemen“, „Fuzzy-Control für den Planeten Erde“.

Vom Eigenwert der Natur:
Grundzüge einer Naturschutzethik

Gorke, Martin
Broschüre des NABU Schleswig-Holstein, 2004

In der Umweltethik gibt es vier verschiedene Grundpositionen. Sie unterscheiden sich im Umfang der Naturobjekte, denen ein Eigenwert zugeschrieben wird. Eigenwert bedeutet, dass etwas nicht nur aufgrund seines instrumentellen Wertes, seines Nutzens, rücksichtsvoll behandelt werden soll, sondern um seiner selbst willen. Ihm gegenüber bestehen direkte Pflichten. Die Klassifikation der verschiedenen Konzepte lässt sich anhand konzentrischer Kreise veranschaulichen, die um den Handelnden, das Zentrum der Rücksichtnahme, geschlagen werden. Die Kreise symbolisieren dabei unterschiedlich große Moralgemeinschaften. Jede Ausweitung der Rücksichtnahme schließt alle früheren Rücksichten mit ein.

Prozessschutz aus Sicht einer holistischen Ethik

Gorke, Martin
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 88-107

Zunehmend wird im Naturschutz die Leitlinie propagiert, natürliche Prozesse zu schützen, was bedeutet, möglichst wenig in die Abläufe der Natur einzugreifen. Dieser Aufsatz geht der Frage nach, ob und wie sich dies begründen lässt. Dabei zeigt sich, dass die von Naturschutzbehörden und Verbänden meistens angeführten anthropozentrischen Argumente nur unzureichend in der Lage sind, die drei Kernelemente des Prozessschutzgedankens zu rechtfertigen: Ergebnisoffenheit, Konsequenz und Vorrangigkeit. Diese Ziele lassen sich nur unter der Annahme eines Eigenwerts der gesamten Natur plausibel machen, wie ihn eine holistische Umweltethik postuliert. Ich argumentiere zugunsten dieser Ethik und skizziere einige ihrer Konsequenzen sowohl für menschliches Handeln in der Kulturlandschaft als auch für die Betreuung von Naturschutzgebieten.

Die Vernichtung der Biologischen Vielfalt als Herausforderung für eine holistische Ethiktheorie

Gorke, Martin
Natur und Kultur, Jg. 4/2 (2003), Seiten 90-104

Die holistische Umweltethik schreibt der gesamten biologischen Vielfalt – allen Individuen, Arten und Lebensräumen – einen Eigenwert zu. Sie ist die einzige ethische Konzeption, die den Schutz von Biodiversität direkt, d.h. ohne Bezug auf irgendwelchen Nutzen für den Menschen, begründen kann. Im vorliegenden Artikel versuche ich, die drei verbreitetsten Einwände gegen diese Ethik zurückzuweisen: 1. Holismus sei überflüssig, 2. Holismus sei nur mit Hilfe starker metaphysischer Vorannahmen rechtfertigbar und 3. Holismus sei nicht praktisch umsetzbar.

Eine Erd-Ethik für die Menschheit

Rowe, Stan
Natur und Kultur, Jg. 1/2 (2000), Seiten 106-120

Die Ökologie, begründet auf einer nach außen gerichteten Vision, erinnert die Menschheit wieder daran, dass die Natur der Ursprung der Kreativität ist, die wir „Leben” nennen. Ohne Erde würde die Menschheit mit all ihren kulturellen Errungenschaften nicht existieren. Daraus lässt sich ein ethischer Imperativ ableiten: Die umgebende Welt – die Erde, die Ökosphäre und ihre sektoralen Ökosysteme – als größer und um viele Größenordnungen wichtiger als jede singuläre Art, die bisher entstanden ist, zu verehren.